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Die frühesten Aufzeichnungen zur japanischen Geschichte finden sich,
neben chinesischen Quellen, in zwei halbmythischen Chroniken: der Kojiki
(Aufzeichnung alter Geschichten) und den Nihon shoki oder Nihongi (Chroniken
zu Japan). Ersteres stammt aus dem Jahr 712, Letzteres aus dem Jahr 720.
Diese Chroniken berichten über Ereignisse aus der Zeit zwischen dem
7. Jahrhundert v. Chr. bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. Beide Werke sowie
andere Legendensammlungen stellen die Grundlage traditioneller Geschichtsüberlieferung
in Japan dar. Der Nihon shoki gibt das Jahr 660 v. Chr. als jenes Jahr
an, in dem Jimmu, Abkömmling der Shinto-Sonnengöttin Amaterasu
und erster Kaiser (siehe Tenno) Japans, den Thron bestieg und damit das
japanische Kaiserreich gründete. Fortan konnten sich alle Kaiser als
direkte Nachfahren der Sonnengöttin betrachten und besaßen damit
ein göttliches Mandat.

Wann die erste Besiedlung Japans stattfand, ist unklar. Vermutlich trafen
die ersten aus dem ostasiatisch-sibirischen Kernland stammenden Siedler
auf dem japanischen Archipel bereits im Paläolithikum um 30000 v.
Chr. ein. Linguistische Untersuchungen legen andererseits aber auch die
Vermutung nahe, dass eine Kolonisierung von den polynesischen Inseln ausgegangen
sein könnte. Man geht heute davon aus, dass die Ur-Japaner, die dem
mongoliden Rassenkreis angehören, seit frühester Zeit auf den
Inseln dominierten, auch wenn die Ainu vielleicht ebenfalls schon sehr
früh den Archipel besiedelt haben. Zeitweise ging man davon aus, dass
die Ainu die ersten Besiedler der japanischen Inseln gewesen waren, doch
gilt diese Theorie inzwischen als widerlegt.
Die Jomon-Periode (10000 v. Chr. bis 300 v. Chr.)
Die paläolitischen Kulturen des prähistorischen Japan und
ihre Nachfolger im Mesolithikum wurden um 10000 v. Chr. von neolithischen
Kulturen abgelöst. Zu diesen zählten die Jomon, von denen einige
der frühesten Tonwaren stammen. Ihre häufig üppig verzierten
und meist handgedrehten Tontöpfe wurden bei niedrigen Temperaturen
gebrannt. Man fand diese Tonreste in ganz Japan; seltener wurden auch feine
Steingebäude oder Hütten aus dieser Zeit ausgegraben. Die Jomon
lebten als Wildbeuter vor allem von der Jagd, dem Fischfang und dem Sammeln,
eventuell gab es bereits auch eine frühe Form der Landwirtschaft.
Ihre Gesellschaftsstruktur scheint egalitär gewesen zu sein, mit einigen
nur geringen Statusunterschieden.

Die Jomon mussten einer neuen Kultur weichen, die auf Kyushu entstand,
sich langsam nach Osten ausbreitete und allmählich ihre Vorgänger
ersetzte. Die Kultur der Yayoi hinterließ deutlichere Spuren; es
gab bereits Reisanpflanzungen, Webereien, einfache Tonwaren, die bei hohen
Temperaturen gebrannt wurden, und Eisenwerkzeuge. Die meisten Erfindungen
der Yayoi, insbesondere die Eisen- und Bronzestücke, wurden vermutlich
aus China über Korea eingeführt, was erstmals auf einen chinesischen
Einfluss hinweist. Auch die unterschiedlichen und verfeinerten Riten bei
den Beerdigungen sind ein Hinweis darauf, dass die Gesellschaft der Yayoi
bereits komplexer zusammengesetzt und effizienter organisiert war als die
der Jomon, was typisch für die eher landwirtschaftlich orientierten
Kulturen ist. Durch die Einwanderung der Yayoi wurde das kulturelle Leben
in weiten Teilen des Landes maßgeblich bereichert.
In offiziellen chinesischen Chroniken wird Japan erstmals während
der späten Han-Dynastie erwähnt. Damals wurde aufgezeichnet,
dass im Jahr 57 n. Chr. „der Staat der Nu in Wo“ Gesandte zum kaiserlichen
Hof geschickt habe und ein Goldsiegel erhielt, das später (1748) in
Japan gefunden wurde. Nu war offensichtlich eines von den Dutzenden kleiner
Reiche auf dem japanischen Archipel, die in den chinesischen Chroniken
in ihrer Gesamtheit als Wo bezeichnet wurden. Die Aufzeichnungen beschreiben
eine relativ hoch entwickelte Gesellschaft mit hierarchischer Struktur,
Märkte für den Tauschhandel und professionelle Schreiber, die
der chinesischen Schrift mächtig waren. Es wird auch eine Königin
namens Himiko erwähnt, die ebenfalls in die japanischen Chroniken
Eingang gefunden hat. Sie übte ihre Herrschaft in einer Stadt namens
Yamatai aus und regierte im Jahr 200 über zahlreiche Staaten. Dies
legt die Vermutung nahe, dass die Yayoi in Japan eine matriarchalische
Gesellschaft darstellten, in der priesterliche Königinnen beträchtliche
Macht innehatten.

Die Konfun-Periode ist nach dem großen konfun (japanisch für
Grabhügel) benannt, der die Gräber der damaligen japanischen
Herrscher und Adeligen markierte und die Vereinigung der Teilstaaten zu
einem einzigen Kaiserreich versinnbildlichte. Nach den Überlieferungen
führte Kaiser Jimmu, nachdem er seine Herrschaft in Kyushu gefestigt
hatte, seine Streitkräfte nach Norden und dehnte sein Herrschaftsgebiet
bis nach Yamato aus, einer Provinz im Zentrum von Honshu, die dem Kaiserhaus
und wahrscheinlich auch ganz Japan damals seinen Namen verlieh. Historische
und archäologische Forschungsergebnisse widersprechen jedoch den Zeitangaben
in den traditionellen Darstellungen für die Einzelereignisse dieser
Periode.

Die Herrscher der kaiserlichen Yamato-Familie festigten ihre Macht, indem
sie eine frühe Form des Shintoismus zur allgemeinen Religion erhoben
und diese als politisches Instrument verwendeten. Während der späten
Yayoi- und der frühen Konfun-Periode übten die Yamato-Herrscher
über verschiedene autonome Clans indirekt die Kontrolle aus, die unter
der Bezeichnung Uji bekannt sind. Jeder Uji hatte eigene Götter und
einen eigenen Herrschaftsbereich. Die wichtigsten Personen eines solchen
Clans waren der Muraji, ein Vasall des Yamato-Hofes, und der Omi, der während
der Machteroberung der Yamato die Lehnstreue des Stammes erklärte
hatte. Die Regierungsbeamten aller Uji wurden aus beiden Gruppen gestellt.
Die großen Gräber der Clanoberhäupter waren oft mit Tonfiguren
verziert, die Soldaten, Menschen oder andere Objekte darstellten und den
Namen Haniwa trugen. Die Rolle der kaiserlichen Familie, die als oberster
Clan galt, war eher symbolischer Natur, obwohl der Hauptgottheit, der Sonnengöttin,
landesweit geopfert wurde.
Nach dem Tod ihres Mannes, des Kaisers Chuai – er regierte von 192 bis
200 – übernahm die Kaiserin Jingu, eine legendäre Herrscherin,
die später als Göttin angesehen wurde, um das Jahr 200 die Regierung.
Die kriegerische Kaiserin soll eine Armee ausgerüstet und einen Teil
des heutigen Korea erobert haben. Obwohl sich die Existenz von Jingu historisch
kaum nachweisen lässt, deuten einige Inschriften aus dem frühen
5. Jahrhundert tatsächlich auf eine große Expedition hin, die
von Wo aus im Jahr 391 durchgeführt wurde. Bis zu dieser Zeit hatte
der Yamato-Hof vermutlich eine ausreichende nationale Einheit erreicht
und konnte eine Militärexpedition unterstützen, um den japanischen
Einflussbereich in Minami auf der koreanischen Halbinsel zu sichern. Das
Königreich Paekche im Südwesten Koreas war ein untergeordneter
Verbündeter des Yamato-Hofes. Die koreanische Kultur hatte sich unter
starkem Einfluss des angrenzenden China bereits zu einem vergleichsweise
hohen Niveau entwickelt; während der folgenden Jahrhunderte beeinflusste
die Beziehung zwischen Japan und Korea und damit indirekt auch die chinesische
Kultur die kulturelle Entwicklung Japans beträchtlich. Chinesische
Literatur und Philosophie wurde am Hof von Yamato bereitwillig aufgenommen.
Anfang des 5. Jahrhunderts verwendete man hier bereits die chinesischen
Schriftzeichen. Um 430 stellte der kaiserliche Hof die ersten Geschichtsschreiber
an, und ab diesem Zeitpunkt entstanden verlässlichere Aufzeichnungen.
Bis zum 6. Jahrhundert verlor der Yamato-Hof zunehmend an Einfluss;
er konnte seine Macht über die Uji immer weniger ausüben und
sah sich auf dem koreanischen Festland einer Niederlage gegenüber.
Der regierende Kaiser war 587 vom mächtigen Soga-Clan ermordet worden.
Noch zu Lebzeiten des Yamato-Kaisers fand mit der Übernahme des Buddhismus
ein äußerst wichtiges Ereignis statt. Diese wird allgemein auf
das Jahr 552 datiert, als der König von Paekche buddhistische Priester
nach Japan sandte und damit religiöse Bilder, buddhistische Schriften,
der Mondkalender und die Methoden der Zeitrechnung im Land Einzug hielten.
Die importierte Kultur verwurzelte sich bald fest auf dem Archipel, und
während sich die Kontakte zwischen den beiden Ländern nach der
japanischen Vertreibung aus Korea im Jahr 562 abschwächten, hatte
dies keinen Einfluss auf die religiöse Entwicklung in Japan. Bis zum
Beginn des 7. Jahrhunderts wurde der Buddhismus zur japanischen Staatsreligion.

Die so genannte Asuka-Periode nahm mit der Thronbesteigung von Kaiserin
Suiko ihren Anfang; sie regierte von 593 bis 628 und errichtete ihren Palast
im Asuka-Tal in der Provinz Yamato (der heutigen Präfektur Nara).
Ihr Neffe und Regent, Prinz Shotoku, initiierte ein Reformprogramm, das
aufgrund des Verlusts von Minami (der japanischen Gebiete in Korea) und
wegen innenpolitischer Unruhen notwendig geworden war. 604 entwarf er die
erste japanische Verfassung, die aus 17 Artikeln bestand und ein einfaches
Regelwerk enthielt, das das soziale und sittliche Leben der Bevölkerung
bestimmte. Diese Entwicklung folgte dem Muster der Zentralregierung in
China. Das Land wurde einheitlich aufgeteilt in Provinzen, Distrikte und
dörfliche Einheiten, die wiederum in Gruppen aus jeweils fünf
Bauernfamilien als den kleinsten Einheiten des Staates unterteilt waren.
Die ursprünglichen zwölf und späteren acht hierarchischen
Ebenen des höfischen Adels wurden eingerichtet. Die Versuche Shotokus,
den Buddhismus im ganzen Land zu verbreiten, halfen auch bei der Verbreitung
der kontinentalen Zivilisation in Japan.
Die Reformen Shotokus wurden von Prinz Naka no Oe, dem späteren
Kaiser Tenji, sowie von Nakatomi Kamatari (der spätere Fujiwara no
Kamatari) fortgeführt, dem Begründer der Fujiwara. Dieser war
maßgeblich an dem Staatsstreich von 645 beteiligt, in dem die herrschenden
Soga entmachtet und die so genannten Taika-Reformen eingeführt wurden,
die eine Stärkung des Kaiserhauses und die Schwächung der Uji
zum Ziel hatten. Die Ländereien der Adelsfamilien wurden zum staatlichen
Eigentum erklärt, das an das Volk verteilt werden konnte. Ein großer
Rat, der so genannte Dajokan, regierte das Kaiserreich mit Hilfe lokaler
Gouverneure, die von der Hauptstadt ausgesandt wurden – auch hierbei lehnte
man sich an das chinesische Modell an. Die Niederlage Japans im Jahr 663
bei seinem letzten Versuch, in Korea Fuß zu fassen, beendete diese
Expansionsbestrebungen für mehrere Jahrhunderte und forderten von
Kaiser Tenji weitere Reformen zur Zentralisierung. Er hatte seine neuen
Maßnahmen im so genannten ritsu-ryo-System formuliert, welches sich
in die ritsu (Gesetze zur Verbrechensbekämpfung) und die ryo (Gesetze
für das zivile Leben und die Verwaltung) unterteilte. Dadurch entstand
eine ausgearbeitete staatliche Struktur im ganzen Land, wodurch die Bedeutung
der lokalen Adelsfamilien immer geringer wurde.

Traditionell wurden die kaiserlichen Hauptstädte in Japan verlegt,
sobald ein Herrscher gestorben war, um die im Shintoismus mit dem Tod verbundene
Verunreinigung zu vermeiden. Kaiserin Gemmei, die von 707 bis 715 herrschte,
verlegte die Hauptstadt von Asuka nach Heian-kyo (heute Nara), das damit
zur ersten ständigen japanischen Hauptstadt wurde. Später in
der Nara-Periode verfiel die Sitte der Verlegung allmählich. Unter
Kaiser Shomu – er regierte von 724 bis 749 – und seiner Fujiwara-Gattin
erlebte Japan eine kulturelle Blütezeit. Der Große Buddha (752
fertig gestellt) wurde in dem Tempel Todaiji untergebracht, der auch heute
noch als größtes Holzgebäude der Welt gilt, und symbolisierte
die Verpflichtung des Japans der Nara-Zeit an den Buddhismus. Man nahm
Verbindungen zur weit entfernten Tang-Dynastie in China auf und Japan wurde
zur östlichen Endstation der Seidenstraße. In einer weit reichenden
Reform wurde das ritsu-ryo-System im Jahr 743 geändert, um die Erschließung
neuen Ackerlandes voranzutreiben, indem man den jeweiligen Personen, die
das Land landwirtschaftlich bebauten, das volle Besitzrecht über das
bewirtschaftete Gebiet zusprach. Mit dieser Einführung privaten Landbesitzes
öffneten sich für die großen Familien und Geschlechter
die Möglichkeiten, ihre Unabhängigkeit zu festigen und Macht
und Reichtum zu mehren, und das ritsu-ryo-System wurde von der Realität
immer mehr zurückgedrängt.
Während der Nara-Periode wurden einige der wichtigsten Literaturwerke
der Frühzeit geschaffen, darunter die beiden großen nationalen
Geschichtschroniken Kojiki (712) und Nihon-shoki (720) sowie die erste
große Gedichtsammlung Manyoshu (daneben entwickelte sich auch die
buddhistische Kunst maßgeblich weiter). Kaiser Shomu, ein frommer
Buddhist, bemühte sich um die Vereinigung von Staat und Kirche und
stellte seinen Nachfolger damit vor Probleme. Das ritsu-ryo-System der
Taika-Reformen galt zwar nach wie vor, aber Macht und Einfluss der buddhistischen
Mönche, ausgehend von den großen Klöstern, wurden immer
größer. 784 entschloss sich Kaiser Kammu – er regierte von 781
bis 806 – schließlich, den Einfluss der mächtigen Klöster
in Nara zu verringern, indem er die kaiserliche Hauptstadt zunächst
nach Nagaoka-kyo und neun Jahre später an den Ort Uda verlegte; dort
ließ er die Hauptstadt Heian-kyo, das spätere Kyoto, errichten,
das bis 1868 offizielle Hauptstadt blieb.

Die Heian-Periode, nach ihrer Hauptstadt benannt, brachte Japan 350 Jahre
lang relativen Frieden und Wachstum. Bis zum 9. Jahrhundert war es dem
Yamato-Hof gelungen, die Kontrolle über alle Hauptinseln Japans mit
Ausnahme von Hokkaido zu erhalten. Im nördlichen Honshu kam es dennoch
immer wieder zu Befriedungsunternehmungen, um die dortige Bevölkerung
zu integrieren. Während des 9. Jahrhunderts zogen sich die Kaiser
immer mehr aus den aktuellen Regierungsgeschäften zurück. Sie
delegierten alle staatlichen Angelegenheiten an Untergebene und begaben
sich in die Abgeschiedenheit. Die Kaiser hatten mit der Zeit nur noch eine
eher symbolische Funktion inne, statt dass sie tatsächlich regierten.
Zum Teil fand diese Entwicklung auch aufgrund der belastenden rituellen
Pflichten statt, die der Kaiser als Oberhaupt des shintoistischen Staatskultes
durchzuführen hatte. Gleichzeitig mit dem Rückzug der Kaiser
vollzog sich der Aufstieg der Fujiwara, der damals bedeutendsten Adelsfamilie
am Hof, die diese Entwicklung förderte und versuchte, die Regierungsmacht
an sich zu binden. 858 wurden die Fujiwara zu den eigentlichen Herrschern
Japans und blieben es während der nächsten drei Jahrzehnte. In
diesem Jahr wurde der Fujiwara-Prinz Yoshifusa als Vormund für seinen
einjährigen Enkel zum Regenten sessho ernannt. Die Fujiwara hatten
in den meisten Büros des Hofes und der Verwaltung eine Vormachtstellung,
drängten die anderen Adelsfamilien aus der Regierung und kontrollierten
sogar die kaiserliche Familie, indem sie ihre eigenen Töchter Generation
um Generation mit den Kaisern vermählten. Die Kaiser wiederum wurden
meist zu einem frühen Rückzug zugunsten von neuen Kindkaisern
überredet, für die dann wiederum Fujiwara-Regenten die Vormundschaft
übernahmen. 884 wurde der Fujiwara Mototsune erster offizieller bürgerlicher
Herrscher (kampaku). Der bedeutendste Herrscher der Fujiwara war Fujiwara
no Michinaga, der sämtliche Regierungsgeschäfte von seiner Hauskanzlei
aus leitete und dessen fünf Töchter jeweils aufeinander folgende
Kaiser ehelichten; er dominierte den kaiserlichen Hof von 995 bis zu seinem
Tod im Jahr 1028.

Die Periode der Überlegenheit der Fujiwara war eine Zeit kultureller
Blüte; die japanische Kultur entwickelte sich zunehmend zu einer Zivilisation,
die zwar von der chinesischen Kultur stark beeinflusst, aber nicht mehr
von ihr dominiert wurde. Die Kokinshu (eine Anthologie mit 1 111 Gedichten),
die erste offizielle Poesie-Sammlung aus der Kaiserzeit, wurde 905 zusammengestellt;
ihr folgten bis 914 weitere 20 Anthologien. Die Herrschaft von Michinaga
wird als die Periode der klassischen japanischen Literatur bezeichnet.
Michinaga war ein enger Vertrauter der beiden Hofdamen Murasaki Shikibu
und Sei Shonagon, den beiden großen Schriftstellerinnen dieses Zeitalters.
Erstere schrieb im Jahr 1010 das Genji-monogatari (Geschichten des Prinzen
Genji), das als Höhepunkt der Prosa-Literatur der Heian-Zeit gilt,
letztere veröffentlichte um das Jahr 1000 ihr berühmtes Makura-no-soshi
(Kopfkissenbuch), in dem sie den Hofstaat der damaligen Zeit kritisch beleuchtete.
Die großen Schulen des Mahayana-Buddhismus, Tendai und Shingon-shu,
kamen in dieser Zeit zu großem Vermögen und erheblicher Macht,
und entsprechend vielfältig war ihre Schutzherrschaft über die
Kunst in dieser Periode. Der Charakter der Regierung änderte sich
mit dem Aufstieg der Fujiwara ebenfalls. Die Zentralverwaltung diente den
Fujiwara mehr und mehr als Deckmantel; das Land war zu dieser Zeit in große,
erbliche Güter eingeteilt, die den Adeligen als steuerfreie Zuwendungen
für deren offizielle Ämter überlassen wurden oder die an
die großen buddhistischen Klöster angeschlossen waren. Die meisten
Bauern zogen es vor, ihre Ländereien an diese Güter anzuschließen,
um so der schweren Steuerlast zu entrinnen, die für die Bewirtschaftung
öffentlichen Landes zu entrichten war. Auf diese Weise breiteten sich
die großen privaten Besitztümer im ganzen Land aus, und die
durch die Taika-Reformen geschaffene Ordnung wich zunehmend einem System
feudalistischer Land- und Machtaufteilung.

Die Hegemonie der Fujiwara zerfiel nach dem Tod von Michinaga im Jahr 1028,
und die Macht verteilte sich nun in zwei Richtungen. Mitte des 11. Jahrhunderts
(im Jahr 1068) verloren die Fujiwara ihr „Monopol“ bei der Stellung der
kaiserlichen Bräute, und die abgekapselten Kaiser bildeten den Kern
eines neuen Systems „klösterlicher Regierung“. Hierbei übernahmen
die abgedankten Kaiser, die das buddhistische Gelöbnis abgelegt hatten,
im Auftrag der regierenden Kaiser die Verwaltung. In der Zwischenzeit hatten
sich in den häufig gesetzlosen Provinzen lokale Kampfgruppen zusammengeschlossen,
die als Anhänger und Beschützer des feudalen Adels und der Vasallen
auftraten. Diese ersten Samurai verwalteten und beschützten die Güter
ihrer aristokratischen Besitzer und standen in deren Dienst. Die Führer
dieses Kriegerstandes waren häufig Mitglieder der Adelsfamilien Taira
und Minamoto, die beide von kaiserlichen Prinzen gegründet worden
waren, oder aber sie gehörten ähnlichen aristokratischen Gruppen
an, die neuerdings außerhalb von Kyoto zu Reichtum und Ansehen gelangt
waren. Die Krieger der Taira beherrschten den Südwesten, während
die der Minamoto vorwiegend im Osten agierten. Im 12. Jahrhundert dehnten
diese beiden großen militärischen Adelsfamilien ihren Machtbereich
bis an den kaiserlichen Hof aus und kämpften um die Vorherrschaft
in ganz Japan.
1156 brach ein Bürgerkrieg zwischen den zurückgezogenen und
den regierenden Kaisern einerseits und den jeweils zugehörigen Linien
der Fujiwara-Familie andererseits aus; damit erhielten die ritterlichen
Adelsfamilien die Chance, ihren Vormachtanspruch durchzusetzen. Nach einem
zweiten Bürgerkrieg in den Jahren 1159/60 besiegten die Taira die
Minamoto und erlangten von den Fujiwara die Kontrolle über Japan.
Der Führer der Taira, Taira no Kiyomori, wurde 1167 zum ersten Minister
ernannt und lehnte seine Politik an die der Fujiwara an. Er besetzte die
Ämter bei Hof mit Familienangehörigen und verheiratete seine
Tochter mit einem kaiserlichen Prinzen. Ihr Sohn Antoku wurde im Jahr 1180
Kaiser. Im selben Jahr richtete ein Reichsfeldherr der Minamoto, Minamoto
no Yoritomo, sein Hauptquartier bei Kamakura im Osten Japans ein und begann
von dort aus zusammen mit seinem Bruder Yoshitsune einen Aufstand, der
letztlich die Taira aus der Hauptstadt vertrieb. Dieser weitere Bürgerkrieg,
Gempei-Krieg genannt, dauerte fünf Jahre und endete 1185 mit der Seeschlacht
von Dannoura, in der Nähe des heutigen Shimonoseki in der Inlandsee,
bei der die Taira vernichtend geschlagen wurden und auch Kaiser Antoku
ertrank. Yoritomo wurde nun zum Herrscher über Japan und beendete
damit die Ära kaiserlicher Verwaltung und zugleich die Heian-Periode.
Er errichtete eine Militärherrschaft, die Japan während der folgenden
sieben Jahrhunderte regieren sollte.

Yoritomo unterstrich den kompletten Bruch zwischen ziviler und militärischer
Regierungsform, indem er weiter in Kamakura residierte und sein militärisches
Hauptquartier, das bakufu (ursprünglich japanisch für „Zeltregierung“,
später gleichbedeutend mit Schogunat), als Mittelpunkt seiner neuen
Verwaltung benutzte und weiter ausbaute. Von dieser Zeit an entwickelte
sich der japanische Feudalismus ständig weiter und erreichte schließlich
einen Einfluss, den er während der Kaiserzeit nie erhalten hatte.
Yorimoto berief für die Verwaltung der Provinzen Militärgouverneure
und Vögte seines Vertrauens, die das Land parallel zu den offiziellen
Gouverneuren und Eigentümern verwalteten. 1192 wurde er in das erbliche
Amt des Seiitaischogun (eine Art oberster Feldherr) berufen, auch kurz
Schogun genannt. Damit hatte er die Macht, jederzeit gegen die Feinde des
Kaisers vorzugehen. Durch sein militärisches Netzwerk war Yorimoto
bereits der eigentliche Herrscher Japans, doch der Titel eines Schoguns
verlieh ihm auch offiziell die Führerschaft; der Kaiser und sein Hofstaat
waren gegenüber dem Schogun größenteils machtlos. Kamakura
wurde zum tatsächlichen Herrschersitz, während Kyoto formal den
Hof ohne Macht repräsentierte.
1219 gelangte die Hojo-Familie durch verschiedene Verschwörungen
und einige Morde an den Erben der Minamoto und ihrer Getreuen an die Macht.
Ein Hojo wurde jedoch niemals Schogun; stattdessen übte die Familie
bei der Ernennung der Schogune großen Einfluss auf den Kaiser aus.
Teilweise wurden kleine Kinder zum Schogun ernannt, damit ein Hojo-Führer
als shikken oder Regent die Regierungsgeschäfte und damit die eigentliche
Macht im Land übernehmen konnte.
Trotz des kriegerischen Endes der langen Heian-Periode blühte
Japan auch in der Kamakura-Ära im kulturellen Bereich auf. Der tragische
Niedergang der Taira wurde in einem Kriegsepos, dem Heike monogatari (Erzählungen
des Taira-Clans, 1220), verewigt. Die klassische dichterische Tradition
erfuhr mit der Fertigstellung der Shinkokinshu (Neue Anthologie alter und
moderner Gedichte) im Jahr 1205 durch Fujiwara no Sadaie, genannt Taika,
unter Kaiser Go-Toba sogar ihren Höhepunkt. Auch neue Formen des Buddhismus,
insbesondere die Schulrichtungen Reines Land und Zen, breiteten sich über
das Land aus und genossen eine Beliebtheit, die den alten Schulen nie zuteil
geworden war. Der Zen-Buddhismus und das klare Denken und Handeln der Militärherrscher
inspirierten wiederum die Kunst, etwa den kraftvollen Bildhauer Unkei und
seine Nachfolger.
Mongolische Bedrohung und kaiserliche Restauration.
Die Hojo behielten ihre Herrschaft mehr als 100 Jahre. Ihre Statthalter
und Verwalter in den Provinzen gewannen Macht über private Ländereien
und deren Eigentümer. Sie verbanden sich mit ihnen und bildeten neue
Ritterstände, die Daimyos, die die Autorität des Schogun untergruben.
1274 und erneut 1281 versuchte das Mongolische Reich unter Kublai Khan,
das damals bereits die Kontrolle über China und Korea hatte, auch
Japan einzunehmen und landete in Kyushu; die Mongolen waren jedoch beide
Male erfolglos. Die Invasionen forderten höchsten Einsatz der Hojo,
der u. a. dazu führte, dass sie die Daimyos für ihre Unterstützung
bei den Kämpfen nicht mehr entlohnen konnten. Misswirtschaft und Streitigkeiten
unter den Hojo ermöglichten es Kaiser Godaigo zusammen mit abtrünnigen
Daimyos, insbesondere mit Ashikaga Takauji, dem Oberhaupt der Ashikaga,
eine Rebellion gegen die Hojo durchzuführen. Die Revolte, auch Kemmu-Restauration
genannt, gipfelte 1333 in der Eroberung von Kyoto und Kamakura. Dies bedeutete
zugleich das Ende des Kamakura-Schogunats und den Untergang der Hojo, deren
Führer Selbstmord begingen.

Von 1333 bis 1336 versuchte Godaigo, die kaiserliche Verwaltung wieder
aufzubauen. Er konnte sich mit seinen nicht mehr zeitgemäßen
Ideen gegen Ashikaga Takauji nicht durchsetzen, der revoltierte, indem
er Godaigo aus Kyoto verbannte und seinen eigenen Kandidaten zum Gegenkaiser
(„Nordkaiser“) ernannte. Godaigo (als „Südkaiser“) und seine Anhänger
flohen nach Yoshino, einer Region südlich von Nara auf Honshu, und
errichteten dort einen rivalisierenden Hof, den so genannten „Südlichen
Hof“. 1338 wurde Takauji zum Schogun und errichtete in Kyoto sein eigenes
Bakufu. Der Bezirk Muromachi in Kyoto, der zum Sitz des Schoguns Ashikaga
wurde, verlieh der ganzen Periode der Ashikaga-Herrschaft seinen Namen.
Der Erbfolgekrieg zwischen Godaigo und seinen Nachfolgern und den von Ashikaga
kontrollierten Gegenkaisern zog sich insgesamt über 56 Jahre hin.
Am Ende, im Jahr 1392, kam es schließlich zur Abdankung des ins Abseits
gedrängten, rechtmäßigen Kaisers in Yoshino und zu dessen
Verzicht auf die geheiligten kaiserlichen Insignien, die dem nunmehr sechsten
Nordkaiser Gokomatsu übergeben wurden; die Ashikaga-Kaiser waren damit
legitime Herrscher Japans.
Die Ashikaga-Schogune waren jedoch nie in der Lage, absolute Kontrolle
über die mächtigen Daimyos auszuüben. Der dritte Ashikaga-Schogun,
Yoshimitsu, galt sowohl als kraftvoller politischer Führer wie auch
als Förderer des No-Dramas von Zeami. Seine Nachfolger waren große
Kunstmäzene und hatten ein eher geringes Interesse an den Staatsgeschäften.
Im Allgemeinen lässt sich die Periode des Aufstiegs der Ashikaga daher
als Zeit der Verfeinerung der Sitten sowie eine Periode großer künstlerischer
und literarischer Werke bezeichnen. In dieser Phase erhielt auch der Buddhismus
als politische Kraft großen Aufschwung. Während einiger Jahrhunderte
waren die buddhistischen Klöster so wohlhabend und einflussreich,
dass sie eine bedeutende Macht im Lande darstellten. Buddhistische Mönche
und Laienbrüder standen gelegentlich sogar in Rüstung und trugen
Waffen, weshalb sie am Ausgang einiger Schlachten maßgeblich beteiligt
waren. Der Einfluss der Ashikaga auf das politische Geschehen sank mit
der Zeit drastisch, was in innerfamiliären Streitigkeiten, der verschlechterten
Beziehung zum Kaiserhof und der mangelnden Kontrolle der immer selbständiger
werdenden Daimyos begründet war.

Die zunehmende Macht der Daimyos und die Inkompetenz der Ashikaga führten
zum Ausbruch des Onin-Krieges (1467-1477). Dabei kämpften die Daimyo-Familien
Hosokawa und Yamana auf verschiedenen Seiten um die Nachfolge der Ashikaga.
Nach dem Krieg war kein eindeutiger Sieger zu ermitteln, aber Kyoto war
zerstört, die Autorität der Ashikaga untergraben und die Macht
der Daimyos beträchtlich geschwächt. Die Ashikaga-Schogune wurden
zu Schachfiguren in einer neuen Ära erbitterter Machtkämpfe,
die in Anlehung an eine ähnliche Zeit in der chinesischen Geschichte
die Bezeichnung „Zeit der kämpfenden Länder“ (sengoku jidai)
erhielt. Die alten Daimyo-Familien wurden abgelöst und durch ihre
Bezwinger ersetzt. Doch die konsequente Ausbreitung höfischer Kultur
wirkte sich auf die Provinzen positiv aus. Es entstanden Handelsstädte,
Burgen und Häfen. Durch die Befreiung von den Einmischungen des Schoguns
waren die neuen Daimyos oft bessere Herrscher als ihre Vorgänger.
Die Kultur dieser Ära wird durch die herausragenden Tuschemalereien
Sesshus und die Renga-Kettengedichte von S?gi gekennzeichnet.
Allmählich wurden in der Folgezeit auch äußere Einflüsse
auf die Kultur Japans wirksam, die mit der Landung portugiesischer Händler
als den ersten Europäern in Japan (auf einer Insel vor Kyushu) im
Jahr 1542 ihren Anfang nahmen. Ihre Feuerwaffen (Musketen) wurden von den
einheimischen Handwerkern nachgebaut und die japanische Kriegsführung
erfuhr – jedoch zeitlich verzögert – einen deutlichen Wandel. Auch
die Religion wurde beeinflusst, nachdem Franz Xaver, ein jesuitischer Missionar,
1549 das Christentum nach Japan brachte.

Das chaotische Japan in der Zeit der kämpfenden Länder wurde
im 16. Jahrhundert durch die Azuchi-Momoyama-Periode wieder vereinigt.
Diese kurze Zeitspanne intensiver Veränderungen ist benannt nach den
beeindruckenden (aber bald zerstörten) Burgen ihrer beiden wichtigsten
Personen, Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi; nach diesen bezeichnet man
die Zeitspanne auch als Nobunaga/Toyotomi-Interregnum. Der Ruhm Nobunagas
und Toyotomis, dargestellt in den prachtvollen Gemälden von Kano Eitoku,
gilt stellvertretend für die schillernde Kraft dieser Periode. Oda,
ein von den Taira abstammender General, leitete diese Zeit mit verschiedenen
Siegen über die Daimyos ein, die in einem Marsch auf Kyoto gipfelten
(1568). Hierauf ernannte er seinen Günstling zum Nachfolger für
das Ashikaga-Schogunat. Als dieser Schogun sich als ungehorsam erwies,
verbannte Oda ihn im Jahr 1573 aus Kyoto. Oda brach die Macht der Klöster
in den Jahren zwischen 1570 und 1580 und nahm dem Buddhismus seinen politischen
Einfluss. Er kombinierte eine weise Verwaltung der untergeordneten Ländereien
mit einer scharfen Verfolgung von Oppositionellen. Als Oda von einem Vasallen
1582 ermordet wurde, übernahm Toyotomi Hideyoshi die Macht, der sich
unter Oda vom einfachen Bauern zu einem Militärkommandeur emporgearbeitet
hatte. Bis 1590 hatte er Japan unter seiner Herrschaft vereint.
Der letzte Ashikaga-Schogun dankte 1588 ab, aber Hideyoshi war bereits
zuvor faktischer Herrscher. Er sicherte seine Herrschaft durch eine streng
systematische Verwaltung ab. Das Land wurde vermessen und die Besteuerung
auf der Basis des Reisertrags bemessen. Die Bauern wurden in die Dörfer
verwiesen und entwaffnet. Da er überzeugt war, dass das Christentum
sein Regime bedrohte, begann er mit der Verfolgung japanischer Christen.
Es gelang ihm jedoch nicht, eine komplette Kontrolle über die nach
wie vor mächtigen Daimyos zu erhalten. Des Weiteren führte sein
offensichtlicher Größenwahn zu sinnlosen und zerstörerischen
Invasionen in Korea (1592 und 1597) und zum erzwungenen Selbstmord seines
bekannten Teemeisters Sen no Rikyu. Hideyoshi erkrankte und starb 1598;
seine Vasallen brachen den Treueschwur zu seinem minderjährigen Sohn
schon bald darauf und kämpften um die Nachfolge. Schließlich
besiegte 1600 Tokugawa Ieyasu seine Rivalen in der Schlacht von Sekigahara,
an der alle übrigen Daimyos teilgenommen hatten. Er wurde damit zum
unumstrittenen Herrscher über das ganze Land und beendete das Interregnum.

Ieyasu hatte sich im Jahr 1603 selbst zum Schogun ernannt und wies dem
Erben Hideyoshis einen niedrigen Posten in der Provinz zu. Er errichtete
sein Bakufu (Schogunat) bei Edo (heute Tokyo), der neuen Hauptstadt. In
kürzester Zeit wurde Ieyasu der mächtigste Mann in Japan und
entwickelte sowohl den kulturellen und ökonomischen Bereich als auch
den politischen Sektor weiter. Ieyasu zog sich im Jahr 1605 offiziell als
Schogun zurück, um sich ganz auf den Ausbau der Herrschaft der Tokugawa-Dynastie
zu konzentrieren. 1614 begann er mit einer Kampagne gegen die Familie Toyotomi,
die auf der Burg von Osaka residierte; bereits kurze Zeit später hatte
er die Burg erobert und damit die letzte noch vorhandene Opposition zum
Tokugawa-Schogunat vernichtet. 1615 erließ Ieyasu verschiedene neue
Regelungen und Gesetze, die die bereits von Hideyoshi geplante Feudalorganisation
dem Ende zuführte und Japan einen 250 Jahre lang anhaltenden Frieden
bescherte und die kulturelle Blüte der Edo-Zeit ermöglichte.
Ieyasu starb zwar bereits im Jahr 1616, doch wurde seine Politik durch
andere Tokugawa-Schogune fortgeführt.
Die wohl wichtigste Regelung Ieyasus war das so genannte bakuhan-System,
durch das die Lehen der Daimyos (han) und die Daimyos selbst sowie der
Kaiser und sein Hofstaat einer strengen Kontrolle durch den Schogun unterstellt
wurden. Die Daimyos blieben zwar oberste Herrscher über ihre Lehen,
mussten dem Tokugawa aber die Treue schwören. Darüber hinaus
waren sie verpflichtet, sich jedes zweite Jahr am Regierungssitz des Schogun
– also in Edo – persönlich aufzuhalten, sowie im jeweils anderen Jahr
an ihren Lehnssitz zu ziehen, ihre Familien jedoch als eine Art „Geiseln“
in Edo zu lassen. Dies band die Daimyos sehr eng an den Schogun und erstickte
jeden aufkommenden Aufruhr im Keim.
Die Landkonfiszierungen nach der Schlacht von Sekigahara hatten die
Tokugawa zur reichsten Familie unter den Daimyos gemacht. Sie besaßen
nun knapp ein Viertel der Landfläche Japans, entweder unmittelbar
oder oder über eng vertraute Vasallen. Die Daimyos wurden entsprechend
ihrem Verwandtschaftsgrad mit dem Tokugawa oder aufgrund ihrer Taten bei
Sekigahara eingeschätzt und diejenigen, die man am ehesten eines Aufruhrs
gegen den Schogun verdächtigte, etwa die Lehnsherren der im Westen
gelegenen Gebiete Satsuma und Choshu, unterstanden der Kontrolle durch
andere, strategisch günstig platzierte, sehr loyale Lehnsherren.
Die Macht des Schoguns wurde weiter ausgedehnt; er konnte nun den nachfolgenden
Daimyo auf seinem Lehen selbst bestimmen oder diesen nach Wunsch entlassen.
Die Gesellschaft unterteilte sich damals streng in vier soziale Klassen:
die Krieger (Samurai), die Bauern, die Handwerker und die Kaufleute. Die
Samurai wurden aus dem Land abgezogen und in befestigten Burgstädten
untergebracht, während die Bauern in Gruppen mit wechselnder Verantwortung
organisiert waren und bestimmte Reismengen als eine Art Steuer an ihre
Herren abliefern mussten. Diese von Ieyasu und seinen Nachfolgern eingerichtete
Form des Feudalismus galt bis zum Ende der Feudalzeit in der Mitte des
19. Jahrhunderts.

Ein weiteres Merkmal der Tokugawa-Herrschaft war die absolute Abschottung
Japans von der westlichen Welt, die durch bestimmte Gesetze systematisch
betrieben wurde. Portugiesische, spanische und niederländische Händler
hatten Japan zwar im 16. Jahrhundert relativ häufig besucht, doch
blieb ihr Einfluss lange Zeit gering. Die Tokugawa-Schogune hielten das
Christentum für eine subversive Kraft. 1614 hatte Ieyasu die Konversion
von Adeligen zum Christentum verboten und die Missionare des Landes verwiesen.
Schon ab 1612 wurden die Christen offiziell verfolgt, und nach dem Christenaufstand
von 1637 fand die Verfolgung ihren Höhepunkt. Die Spanier durften
nach 1624 nicht mehr in Japan landen und eine Reihe von Edikten erging
in den folgenden Jahrzehnten, die auch das Reisen von Japanern ins Ausland
untersagte und selbst den Bau größerer Schiffe verbot. Lediglich
einer kleinen Gruppe holländischer Kaufleute war es als einzigen Europäern
erlaubt, nach wie vor im Land zu bleiben. Sie waren jedoch auf die künstliche
Insel Dejima im Hafen von Nagasaki unter strengen Beschränkungen verbannt.
Auch der Handel mit China dauerte weiter an, war aber ebenfalls genau reglementiert.
Während der folgenden beiden Jahrhunderte blieben die Formen des
japanischen Feudalismus statisch, und es kam kaum zu inneren Veränderungen.
Bushido, der Kodex der Feudalritter, wurde zum Standard für die großen
Daimyos und die Klasse der Samurai, die ihren Herren als Beschützer
und Verwalter dienten. Trotz der Abschirmung von außen war die Edo-Zeit
eine Periode der Blütezeit von Kunst, Literatur und Wissenschaft.
Die Wirtschaft florierte vor allem in den Städten und brachte der
Bevölkerung Reichtum und Wohlstand. Kulturelle Aktivitäten waren
hoch angesehen, Kunst, Musik und Theater gehörten zum Alltag. Das
Kabuki-Theater erlebte seine Hochphase, die Malerei war maßgeblich
von der durch Honami Koetsu begründeten Schule und dem Ukiyo-e-Stil
geprägt. Später folgten die berühmten Bilder von Hokusai
und Hiroshige, die jedoch trotz der romantischen Landschaftsdarstellungen
bereits zur Zeit des Niedergangs der Edo-Zeit entstanden. In der Literatur
gehörten Ihara Saikaku, Chikamatsu Monzaemon und Basho zu den wichtigsten
Vertretern. Der Konfuzianismus wurde zur neuen Ideologie der Regierung.
Ein Gegengewicht zu dieser Entwicklung bildete das aufkommende Interesse
an den ursprünglichen japanischen Traditionen, insbesondere am Shintoismus.
Diese Tendenzen verkörpert besonders die Ideologie von Motoori Norinaga,
der eine neue Welle des prokaiserlichen Nationalismus auslöste.
Während des 18. Jahrhunderts deuteten neue soziale und wirtschaftliche
Verhältnisse auf den Inseln bereits den unvermeidlichen Niedergang
des rigiden Feudalismus an. Die Bevölkerung wuchs schnell, und die
Beschränktheit der landwirtschaftlichen Ressourcen wurde immer deutlicher,
weshalb teilweise Nahrungsmittelrationierungen für die bäuerliche
Bevölkerung angeordnet wurden – was jedoch ab 1730 zu Aufständen
führte. Verarmte Bauern flohen in die Städte, besitzlose Samurai
bildeten die neue Schicht der Ronin. Der Handel und die Geldwirtschaft
gewannen zunehmend an Bedeutung. Eine große, wohlhabende Schicht
von Kaufleuten erlangte bald großen sozialen und indirekt auch politischen
Einfluss, obwohl sie sich eigentlich am unteren Ende der formalen Tokugawa-Hierarchie
befand. Im 18. Jahrhundert war Edo mit einer Million Einwohnern die größte
Stadt der Welt und Zentrum einer der fortgeschrittensten und blühendsten
Wirtschaften der vorindustriellen Welt.

Japans langsam erwachendes Bewusstsein für die Außenwelt fand
schon im Jahr 1720 offiziellen Ausdruck, als der Schogun Yoshimune die
Ächtung europäischer Bücher und Studien aufhob. Anfang des
19. Jahrhunderts mehrten sich die Besuche von Europäern, meist Händlern
oder Forschern, obwohl der Bann für die Ausländer nach wie vor
in Kraft war. Ausländische Schriften und Ideen infiltrierten jedoch
zunehmend das Japan der Edo-Zeit. Dazu gehörten sowohl die Verwendung
des Pigments Preußischblau in der Malerei als auch das Aufkommen
der perspektivischen Gestaltung im Ukiyo-e-Stil.
Die USA waren besonders an einem Freundschaftsvertrag und, wenn möglich,
einem Handelsabkommen mit Japan interessiert. Der Grund für diese
amerikanische Politik war einerseits die erwünschte Freilassung amerikanischer
Walfänger, die auf ihren Schiffen nahe der japanischen Küste
festgehalten wurden, sowie andererseits die geforderte Öffnung der
japanischen Märkte. 1853 entsandte die amerikanische Regierung eine
offizielle Mission zum japanischen Kaiser. Diese (zweite amerikanische)
Gesandtschaft wurde von Kommodore Matthew Calbraith Perry angeführt,
der in langen Verhandlungen am 31. März 1854 mit der Unterzeichnung
des Vertrags von Kanagawa ein Handelsabkommen zwischen Japan und den USA
erreichte. Ein weiterer Vertrag wurde unter Führung von Townsend Harris
1858 geschlossen. 1860 sandten die Japaner eine Mission in die Vereinigten
Staaten, und zwei Jahre später besuchten japanische Handelsmissionen
die europäischen Hauptstädte, um offizielle Handelsvereinbarungen
auch mit anderen Ländern zu treffen.
Japan öffnete sich eher auf Drängen der westlichen Mächte
als aus eigenem Wunsch dem Ausland. Der Abschluss der Verträge, die
den westlichen Nationen beträchtliche Privilegien einschließlich
der Exterritorialität zusicherten, wurde innerhalb Teilen Japans als
Schwäche des Schoguns ausgelegt. Die japanischen Kriegsherren, durch
altmodische Waffen benachteiligt, waren von der militärischen Ausrüstung
der Ausländer beeindruckt und wagten zunächst keinen Widerspruch.
Dennoch entwickelte sich sehr bald eine militante ausländerfeindliche
Fraktion, die besonders in der Zeit um 1860 teilweise auch Angriffe auf
ausländische Händler ausübte. Die Anführer der ausländerfeindlichen
Bewegung waren junge Samurai aus Satsuma, Choshu und den anderen großen
Lehnsstaaten, die immer gegen die Rolle der Tokugawa in Edo opponiert hatten
und mit prokaiserlichen Ideologien sympathisierten. Ihr antiwestlicher
Patriotismus unter dem Motto sonno joi („Es lebe der Kaiser, Schluss mit
der Barbarei“) hatte die Wiedereinsetzung des Kaisers und die Abschaffung
des Schogunats zum Ziel.
Sie gewannen den Kaiser in Kyoto zur Unterstützung ihrer Ziele
und organisierten militärische Angriffe und Attacken auf ausländische
Schiffe in den japanischen Häfen. Die Bemühungen des Schoguns,
diese Übergriffe – etwa die von Ii Naosuke angeführte Säuberungsaktion
Ansei – zu stoppen, verliefen ergebnislos. Die fremdenfeindliche Bewegung
war jedoch nur von kurzer Dauer. Sie endete in den Jahren 1863/64, nachdem
westliche Kriegsschiffe die Städte Kagoshima bzw. Shimonoseki in einem
Rückzugsgefecht bombardiert hatten.
Trotzdem hielt eine gegen den Schogun gerichtete Stimmung im Land an.
Choshu wurde 1864 von prokaiserlichen Samurai regiert, und ein Vorstoß
des Schoguns zur Befriedung dieser Region endete 1866 erfolglos. Sowohl
das Schogunat als auch die Lehnsherren (Daimyos) importierten westliche
Waffen und die zugehörige Technik und sprachen sich für neue
Regierungsstrukturen aus, um der offensichtlichen imperialistischen Bedrohung
begegnen zu können. Nach einem Kompromiss trat der letzte Schogun,
Tokugawa Yoshinobu, Ende 1867 zurück; er sah für sich selbst
jedoch in einer neuen Koalition mit den Daimyos eine hohe Position vor.
Dieser letzte Versuch, das Schogunat noch zu retten, endete mit der Belagerung
des Kaiserpalastes in Kyoto am 3. Januar 1868 durch prokaiserliche Radikale.
Sie riefen die absolute Monarchie aus, und der Schogun trat offiziell zurück.

Die Streitkräfte aus den Lehnsgebieten Satsuma, Choshu und Tosa bildeten
nun die kaiserliche Armee und zogen 1868 gegen die Anhänger Tokugawas
in den Krieg. Die meisten anderen Lehnsherren hielten sich aus dem Konflikt
heraus und warteten den Ausgang ab. Dieser so genannte Boshin-Krieg endete
schon nach kurzer Zeit mit der Kapitulation der Schogunats-Armee in Edo.
Der junge Kaiser Mutsuhito stellte seine Regierungszeit unter das Motto
Meiji („erleuchtete Regierung“) und wählte die Bezeichnung Meiji-Tenno
als Kaisertitel. Tatsächlich fungierte er eher als eine Art Legitimation
für die weit reichenden Veränderungen in Japan, die wesentlich
von Okubo Toshimichi, Saigo Takamori, Kido Takayoshi und den anderen Samurai
aus Choshu und Satsuma durchgeführt wurden, die die meisten Ministerposten
am Hof bekleideten. Diese Veränderungen tragen die Bezeichnung Meijireformen.
Sie bildeten die Grundlage für einen modernen, japanischen Staat.
Die kaiserliche Hauptstadt wurde nach Edo verlegt und in Tokyo („Hauptstadt
des Ostens“) umbenannt. 1869 übergaben die Führer der mächtigen
Provinzen Choshu, Hizen, Satsuma und Tosa ihre Besitzungen an den Kaiser.
Nachdem andere Adelsfamilien diesem Beispiel gefolgt waren, erging im Jahr
1871 ein kaiserliches Dekret, das alle Lehnsgüter abschaffte und stattdessen
zentral verwaltete Präfekturen einsetzte sowie die alten Daimyos zu
Gouverneuren ernannte.
Unter der Herrschaft der Meiji blieb Japan vom europäischen Imperialismus
verschont, der zu dieser Zeit andere asiatische Länder beherrschte,
und verzichtete selbst auf kolonialistische Bestrebungen. Die Japaner kopierten
westliche Staatssysteme relativ detailgetreu; ihr Ziel war es, Japan zu
einer Weltmacht zu machen. Es galt der Kernsatz fukoku kyohei („Das Land
bereichern und die Armee stärken“). Französische Offiziere wurden
eingestellt, um die Armee neu zu organisieren, britische Seeleute strukturierten
die Marine um, und niederländische Ingenieure überwachten die
neuen Anlagen auf den Inseln. Die Japaner wurden ins Ausland geschickt,
um fremde Regierungssysteme zu analysieren und deren positive Errungenschaften
in Japan einzuführen. Ein neues Strafgesetz wurde in Anlehnung an
das französische erlassen. Ein Erziehungsministerium wurde 1871 eingerichtet,
um ein allgemeines Erziehungssystem zu etablieren, das auf dem Vorbild
der Vereinigten Staaten basierte, auch wenn dieses der Vermittlung einer
nationalistischen prokaiserlichen Ideologie dienen sollte, die sich aus
dem Shintoismus ableitete. Die rasante Industrialisierung fand unter der
Kontrolle der Regierung statt. Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1872 eingeführt,
und vier Jahre später erfolgte kraft eines kaiserlichen Dekrets die
Abschaffung der Samurai. Dies führte beim Satsuma-Aufstand von 1877
zu einer tragischen Konfrontation zwischen den Wehrpflichtigen und den
Samurai und endete mit dem Rebellentod des Samurai Saigo Takamori. Weitere
Neuerungen waren die Schaffung eines modernen Postwesens, die Einführung
des gregorianischen Kalenders (1873) und der Bau der ersten Eisenbahn.
Die Änderungen im politischen System Japans wurden von oben durch
die Oligarchie der Choshu und Satsuma auferlegt und waren nicht das Ergebnis
politischer Forderungen aus dem Volk. Die Bauern trugen nach wie vor die
größte Steuerlast, und die Reisaufstände dauerten bis in
das 20. Jahrhundert hinein an. Dennoch stärkte die konstitutionelle
Regierung das Land und verbesserte Japans Position in der Welt. 1881 kam
der Vorschlag auf, ein nationales Parlament einzurichten, der vom Kaiser
als formales Versprechen aufgenommen wurde. 1884 wurde ein Vorläufer
des heutigen Oberhauses mit einer Adelsriege aus fünf verschiedenen
Rängen eingerichtet. Nach deutschem Vorbild wurde 1885 ein Kabinett
erstellt, dessen erster Ministerpräsident Ito Hirobumi war. Der Geheime
Rat entstand 1888. Beide Gremien waren dem Kaiser gegenüber rechenschaftspflichtig.
Die neue Verfassung, von Marquis Ito im Wesentlichen nach dem Vorbild Preußens
ausgearbeitet, wurde 1889 erlassen. Das Zweikammerparlament sollte aus
einem Oberhaus mit 363 Mitgliedern und einem Unterhaus mit 463 Mitgliedern
bestehen, welche von jenen Bürgern gewählt werden durften, deren
jährliche Steuerzahlungen 15 Yen überstiegen. Die Macht des Kaisers
wurde sorgsam bewahrt. Er durfte Gesetze per Dekret erlassen und war der
Einzige, der Kriegserklärungen erlassen oder die Einstellung von Kriegshandlungen
befehlen konnte. Darüber hinaus konnte das Unterhaus durch kaiserlichen
Erlass aufgelöst und das Oberhaus vertagt werden. Die Verfassung bot
größere Freiheit als das Tokugawa-System und sicherte erstmals
das Privateigentum. Auch für politisch Andersdenkende gab es einen
größeren Spielraum, aber die Grenzen der Exekutivgewalten blieben
unklar. Spätere Verfassungsänderungen lösten die Ministerposten
für Armee und Marine auf und richteten stattdessen die Positionen
für Ministerialbeamte ein. Das Militär behielt für die Kabinettsbildung
ein Vetorecht und blieb als einflussreiche politische Macht im Hintergrund.
In der Außenpolitik verfolgte Japan expansionistische Ziele.
1879 besetzte es die Ryukyu-Inseln, die seit 1609 unter japanischem Protektorat
standen, und unterstellte diese der Präfektur von Okinawa. Der Kampf
um die Kontrolle in Korea war der nächste Expansionsschritt; dieser
führte zum Konflikt mit China und in der Folge zum Chinesisch-Japanischen
Krieg (1894/95), in dem die modernisierten japanischen Streitkräfte
die chinesische Armee und Marine nach kurzer Zeit besiegten. Im Frieden
von Shimonoseki, der im April 1895 geschlossen wurde, trat China die Insel
Taiwan (Formosa) und die Pescadores-Inseln an Japan ab und entrichtete
umfangreiche Kompensationszahlungen. Der Vertrag sah ursprünglich
auch die Übergabe der Liaodong-Halbinsel (südliche Mandschurei)
an Japan vor, aber auf Intervention Russlands, Frankreichs und Deutschlands
musste Japan stattdessen weitere Ausgleichszahlungen akzeptieren.
Der rasche und überlegene Sieg in Korea verdeutlichte der restlichen
Welt die Existenz einer neuen militärischen Macht in Ostasien. Im
Vorfeld zu den Verhandlungen über eine volle Gleichberechtigung mit
den anderen Großmächten hatte Japan 1890 seine Gesetze zum Strafrecht,
zum bürgerlichen Recht und zum Handel vollständig überarbeitet
und nach westlichen Modellen ausgerichtet. Auf diese Weise konnte das Kaiserreich
die Zurücknahme der Exterritorial-Klauseln aus den Verträgen
mit Japan fordern, was bis 1899 von allen Großmächten akzeptiert
wurde. 1894 öffnete sich Japan dem freien Handel mit den Vereinigten
Staaten und Großbritannien.

Bei der Verfolgung seiner Interessen in Korea geriet Japan unweigerlich
in Konflikt mit Russland und expandierte daraufhin in östlicher Richtung
nach Nordostasien. Die Ressentiments waren bereits relativ hoch, denn Russland
forderte die Rückgabe der Halbinsel Liaogong nach dem Chinesischen
Krieg an erster Stelle. Beide Länder unterzeichneten 1898 einen Vertrag
über die Unabhängigkeit Koreas. Japan konnte seine kommerziellen
Interessen aber dennoch wahrnehmen und damit Einfluss ausüben. 1900
folgte der Boxeraufstand in China, Russland besetzte die Mandschurei und
begann von dort aus, Einfluss auf Nordkorea auszuüben.
1904, nach mehrmaligen erfolglosen Verhandlungsversuchen, brach Japan
die diplomatischen Beziehungen mit Russland ab und griff den von Russland
gepachteten Hafen Port Arthur (heute ein Teil von Dalian) in der südwestlichen
Mandschurei an. Damit begann der Russisch-Japanische Krieg. Japan gewann
diesen zweiten Krieg seiner Neuzeit in weniger als 18 Monaten und besiegte
zur Überraschung aller unbeteiligten westlichen Staaten das flächenmäßig
weitaus größere Russland. Der Friedensvertrag, durch US-Präsident
Theodore Roosevelt vermittelt, wurde in Portsmouth (New Hampshire) am 5.
September 1905 unterzeichnet. Japan erhielt die Halbinsel Liaodong zur
Pacht zunächst bis zum Jahr 1923 (der Pachtvertrag wurde später
bis 1997 verlängert) sowie das Territorium von Guangdong (Kwangtung)
und die Südhälfte von Sachalin, später unter dem Namen Karafuto
bekannt. Darüber hinaus erkannte Russland das wichtige Interesse Japans
in Korea an, das schnell zur japanischen Vorherrschaft in diesem Raum führte.
Fünf Jahre später (1910) wurde Korea offiziell von Japan annektiert
und erhielt den Namen Chosen.
Die japanisch-amerikanischen Beziehungen waren seit einigen Jahren wegen
Problemen im Bereich japanischer Emigration nach Amerika unterkühlt.
Tausende Japaner waren in die Vereinigten Staaten emigriert, und die Amerikaner
forderten, den Japanern die Einwanderungserlaubnis zu verweigern, ähnlich
wie bei den Chinesen durch die Ausschlussklauseln aus den Jahren 1882,
1892 und 1902. Diese inneramerikanische Bewegung wurde von den Gewerkschaften
angeführt, weil die japanischen Arbeitskräfte sich bereit erklärten,
für weniger Lohn und mit längeren Arbeitszeiten zu arbeiten,
als
dies der Politik der Gewerkschaften entsprach. Offizielle Proteste gegen
die Behandlung der Japaner wurden vom japanischen Botschafter in Washington
im Jahr 1906 überbracht, und nach einigen Verhandlungen schlossen
Japan und die Vereinigten Staaten 1908 eine Art Höflichkeitsvereinbarung.
Durch diesen außergewöhnlichen Pakt, der 1911 bestätigt
wurde, stimmte Japan zu, dass den japanischen Arbeitskräften die Einwanderung
vorenthalten wurde, während die Vereinigten Staaten versicherten,
keine antijapanischen Gesetze zu erlassen. Das Problem wurde jedoch nie
wirklich gelöst und trug in Japan zu einigen Ressentiments gegen die
Amerikaner bei, die sich in den folgenden drei Jahrzehnten noch verstärken
sollten.

Kaiser Meiji starb im Jahr 1912. Sein Nachfolger war der geistig behinderte
Kaiser Taisho. Im August 1914 folgte der Ausbruch des 1. Weltkrieges. Japan
übersandte Deutschland ein Ultimatum und forderte die Freigabe der
von Deutschland gepachteten Territorien von Jiaozhou (Kiaochow) im Nordosten
Chinas. Als Deutschland dies verweigerte, trat Japan auf der Seite der
Alliierten in den Krieg ein. Die japanischen Truppen besetzten die in deutscher
Hand befindlichen Marshall-, Karolinen- und Marianen-Inseln im Pazifischen
Ozean. Japan legte im Jahr 1915 China einen 21-Punkte-Katalog vor, in dem
es Vorrechte für die Industrie, den Eisenbahnbau und den Bergbau forderte
sowie von China das Versprechen erwartete, dass es jene Küstengebiete,
die gegenüber von Taiwan liegen, an keine andere Nation außer
Japan verpachten dürfe. Die Forderungen, die zum Teil schnell erfüllt
wurden, bestätigten erstmals die japanische Politik der Hegemonieansprüche
gegenüber China und den ostasiatischen Raum. Ein Jahr später,
1916, trat China seine Handelsrechte in der Inneren Mongolei und der südlichen
Mandschurei an Japan ab.

Durch den Versailler Vertrag nach dem Ende des 1. Weltkrieges erhielt Japan
die ehemals deutschen Marshall-, Karolinen- und Marianen-Inseln (mit Ausnahme
von Guam, das an die USA fiel) in der Südsee im Auftrag des Völkerbundes
unter sein Mandat. Das Kaiserreich wurde zum Gründungsmitglied dieser
Organisation. Das gepachtete Gebiet von Jiaouzhou fiel ebenfalls an Japan,
aber 1922 musste es an China aufgrund des Shandong-Vertrags zurückgegeben
werden. Der Vertrag wurde anlässlich der Washington-Konferenz im Jahr
1922 unterzeichnet. Diese Konferenz diente vor allem dazu, die anglojapanische
Allianz durch den Viermächtevertrag zu ersetzen, in dem sich Japan,
Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten gegenseitige
Achtung der Gebietshoheiten im Pazifischen Ozean sowie gegenseitige Hilfe
bei Bedrohung durch Dritte zusicherten. Auch der Neunmächtevertrag
(zwischen Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden,
Portugal, China, Japan und den Vereinigten Staaten) war Gegenstand der
Washington-Konferenz. Die Unterzeichnerstaaten sicherten China territoriale
Integrität und Souveränität zu.
Durch die Übergabe von Shandong und die Unterzeichnung des Neunmächtevertrags
demonstrierte Japan seine versöhnliche Haltung gegenüber China.
Dennoch wurden die kommerziellen Interessen Japans in China nach wie vor
als Machtmittel gegenüber China empfunden. Die russisch-japanischen
Beziehungen, die seit der Russischen Revolution von 1917 und der darauf
folgenden Invasion in Sibirien und im Norden Sachalins durch die Japaner
(1918) angespannt waren, wurden etwas freundlicher, nachdem Japan die Sowjetunion
1925 offiziell anerkannt hatte. Diese versöhnliche Haltung vonseiten
Japans war auf einen politischen Liberalismus zurückzuführen,
der nach dem Sieg der demokratischen Staaten im 1. Weltkrieg aufkam.
Der erste Ministerpräsident aus einer der aufkommenden politischen
Parteien, Hara Takashi, übernahm 1918 das Amt, und trotz seiner Ermordung
im Jahr 1921 gilt diese Periode auch heute noch als erste Experimentierphase
der Demokratie. Mit dem Jahr 1919 wurden die Forderungen nach einem allgemeinen
Wahlrecht für Männer immer lauter, das Thema führte in den
Städten sogar zu sporadischen Aufständen. Die Antwort der Regierung
auf diese Forderungen erging 1919, als eine Reform die Wählerschaft
verdoppelte (auf drei Millionen). 1923 wurden die Gebiete um Tokyo und
Yokohama durch das große Erdbeben der Kanto-Ebene zerstört,
aber die innere Kraft der neuen Industriegesellschaft zeigte sich in der
enormen Geschwindigkeit des Wiederaufbaus. Die demokratischen Proteste
wurden immer stärker, was schließlich dazu führte, dass
man 1925 das allgemeine Wahlrecht für Männer einführte.
Die wahlberechtigte Bevölkerung stieg damit sprunghaft auf 14 Millionen
an, und 1928 fanden erstmals freie Wahlen des Reichstages statt. Durch
das zunehmende Interesse an einer Volksregierung wandte sich der politische
Trend in den zwanziger Jahren weg von der Herrschaft der Oligarchie des
Adels, Militärs und der so genannten Altherrenriege hin zu einem von
Parteien bestimmten Kabinett. Diese Bewegung war jedoch nur von kurzer
Dauer.

1926 folgte Hirohito, der Enkel Kaiser Meijis, auf den Thron. Das offizielle
Motto seiner Regentschaft trug den Namen Showa („Leuchtender Frieden“).
Als General Baron Tanaka Giichi 1927 Ministerpräsident wurde, betrieb
dieser erneut eine Politik der Aggression gegen China. Die treibende Kraft
in dieser politischen Wende lag jedoch in der Expansion der japanischen
Industrie, die mit dem Beginn des 1. Weltkrieges 1914 eingesetzt hatte
und sich in raschem Tempo fortentwickelte. Dies erforderte neue Märkte
für den Absatz der produzierten Waren. Die japanische Bevölkerung
hatte sich zudem seit 1868 verdoppelt, so dass die Forderung nach einer
Expansion laut wurde. Der Zusammenbruch des amerikanischen Seidenmarktes
im Jahr 1929 ruinierte viele Bauern und erhöhte den innenpolitischen
Druck und die Forderung nach drastischen Schritten.

Ende der zwanziger Jahre erlangte Japan die Vorherrschaft in der Verwaltung
und den wirtschaftlichen Angelegenheiten der Mandschurei. Die Chinesen
wiesen die japanische Einmischung in diesen Bereich immer vehementer zurück.
Am 18. September 1931 behauptete die japanische Armee in Guangdong, dass
eine Explosion der in japanischem Besitz befindlichen Südmandschurischen
Eisenbahn durch chinesische Saboteure verursacht worden sei. Die japanische
Armee eroberte daraufhin die Waffenlager von Shenyang und einige benachbarte
Städte, und die chinesischen Truppen wurden gezwungen, sich aus der
Region zurückzuziehen. Ohne offiziellen Befehl durch die japanische
Regierung und selbst gegen die Wünsche der eigenen Kommandeure dehnte
die Guangdong-Armee ihre Operationen auf die gesamte Mandschurei aus und
nahm innerhalb von fünf Monaten die gesamte Region in Besitz. Die
Offiziere dieser Armee waren durch die expansionistischen Ideale von Geheimbünden
wie dem des Schwarzen Drachen (Kokuryukai) geleitet und bereit, die nationalen
Interessen durch Eroberungen zu verfolgen, ohne auch nur einen politischen
Auftrag dafür erhalten zu haben. In der Mandschurei wurde ein japanischer
Marionettenstaat unter dem Namen Mandschukuo errichtet und mit der Krönung
von Henry Puyi (Xuantong, der letzte Kaiser von China) im Jahr 1934 zum
Kaiserreich, das China jedoch nicht anerkannte.
Als Resultat der Besetzung der Mandschurei löste sich das Parteiensystem
in Japan langsam auf. Radikale Rechte terrorisierten und ermordeten mehrere
Politiker und der Graf Saito Makoto bildete ein so genanntes Nationales
Kabinett, das überwiegend aus parteilosen Männern bestand. Die
internationalen Auswirkungen der Vorfälle in der Mandschurei bewirkten
eine Untersuchung durch eine Kommission des Völkerbundes, die durch
den Briand-Kellogg-Pakt besiegelt wurde. 1933, als der Völkerbund
Japan zur Einstellung der Feindseligkeiten gegen China aufforderte, kündigte
Japan seinen Austritt an, der 1935 in Kraft trat. Eine Fortsetzung der
expansionistischen Politik hatte die Landung japanischer Truppen in Shanghai
zur Folge, die dort einen Boykott Chinas gegen japanische Produkte niederzuschlagen
versuchten. Im Norden besetzte und annektierte die japanisch-mandschurische
Armee die (damalige) Provinz Jehol und drohte damit, die Städte Peking
und Tientsin ebenfalls zu erobern. Da China den überlegenen japanischen
Streitkräften nichts entgegensetzen konnte, erkannte es im Mai 1933
die japanischen Eroberungen durch Unterzeichnung eines Waffenstillstandspaktes
an.
Die eigenständigen Aktionen der Armee verdeutlichten die Macht
der militärischen Führer in der japanischen Politik immer mehr.
1936, nachdem ein Staatsstreich Tokyo in die Hände der Militärs
gebracht hatte, unterzeichnete das Kaiserreich einen antikommunistischen
Pakt mit Deutschland (den so genannten Antikominternpakt) und ein Jahr
später ein ähnliches Abkommen mit Italien. Die Errichtung einer
beinahe vollständigen Militärherrschaft in Zusammenarbeit mit
den Zaibatsu (Industriellenfamilien) öffnete der aggressiven und expansionistischen
Politik im japanischen Kaiserreich Tür und Tor.

Am 7. Juli 1937 kam es zu einem Zusammenstoß einer chinesischen Patrouille
mit japanischen Truppen an der Marco-Polo-Brücke bei Peking. Dieses
Ereignis diente als Vorwand, um mit den Feindseligkeiten von japanischer
Seite aus zu beginnen. Die japanische Armee in der Mandschurei sandte ihre
Truppen in dieses Gebiet und leitete damit einen weiteren chinesisch-japanischen
Krieg ein, obwohl dieser formell nie erklärt wurde. Eine japanische
Streitmacht überrannte Nordchina. Ende des Jahres 1937 hatte die japanische
Marine eine Blockade aufgebaut, die sich fast über die gesamte chinesische
Küste erstreckte. Die Armee marschierte 1937 im Süden und Osten
Chinas ein, eroberte 1938 nach und nach die Städte Shanghai, Suzhou,
Nanking, Tsingtau, Kanton und Wuhan und zwang die chinesische Armee zum
Rückzug nach Westen. Eine japanische Einheit besetzte auch die Insel
Hainan (im Golf von Tonking). Die japanischen Truppen gingen rücksichtslos
gegen die chinesische Zivilbevölkerung vor, unter der es zu hohen
Verlusten kam. Ausländische Regierungen begannen, sich um das Eigentum
ihrer Landsleute zu sorgen und reichten Proteste ein, weil die japanischen
Truppen auch die Ausländer in China misshandelten, doch Japan reagierte
darauf nicht. Ende 1938 war der Krieg in eine Sackgasse geraten. Die japanische
Armee konnte nicht über die Berge Zentralchinas hinaus vordringen,
sondern wurde durch einen Guerillakrieg der Chinesen aufgehalten.
Die japanische Führung war unterdessen in ihrer Handlungsfähigkeit
eingeschränkt worden, nachdem 1937 das Kabinett unter Vorsitz von
Ministerpräsident Konoe Fumimaro die gesamte Kriegsführung direkt
der Armee und den Führern der Marine übertrug, womit alle Interventionsmöglichkeiten
vonseiten der Regierung unmöglich geworden waren.

Der Ausbruch des 2. Weltkrieges in Europa im September 1939 bot für
Japan erneut eine Legitimation seiner aggressiven Expansionspolitik in
Südostasien. Die betreffenden Militäraktionen wurden durch verschiedene
diplomatische Schritte eingeleitet. Im September 1940 schloss Japan den
Dreimächtepakt mit Deutschland und Italien, die so genannte Rom-Berlin-Achse,
die eine gegenseitige und vollständige Unterstützung für
die nächsten zehn Jahre zusicherte. Japan war dennoch der Auffassung,
dass das 1939 zwischen Deutschland und der UdSSR (Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken) geschlossene Neutralitätsabkommen auch das Kaiserreich
aller Verpflichtungen enthob, auf die es 1936 in der damals gebildeten
antikommunistischen Allianz eingegangen war. Im September 1941 unterzeichnete
Japan deshalb mit der UdSSR ein Stillhalteabkommen, um dadurch die Nordgrenze
der Mandschurei zu sichern. Ein Jahr davor hatten die japanischen Streitkräfte
mit Zustimmung der von Deutschland eingesetzten Vichy-Regierung in Frankreich
die französischen Kolonien in Indochina besetzt. Zur gleichen Zeit
versuchte Japan, ökonomisch und politisch auch in den niederländisch-ostindischen
Gebieten Fuß zu fassen.
Diese Aktionen führten zu Ölembargos von amerikanischer Seite
her und einer wachsenden Feindseligkeit zwischen Japan und den Vereinigten
Staaten. Der Schutz amerikanischer Gebiete in Ostasien war seit der japanischen
Invasion in China im Jahr 1937 ein ständiger Reibungspunkt gewesen,
ebenso wie die heimliche westliche Unterstützung für die Chinesen.
Im Oktober 1941 wurde General Tojo Hideki, ein erbitterter Gegner Amerikas,
zum japanischen Premier- und Kriegsminister. Die Verhandlungen zur Beilegung
der Streitigkeiten zwischen beiden Staaten wurden den ganzen November hindurch
in Washington geführt, als Tokyo bereits die Kriegserklärung
an die Vereinigten Staaten und Großbritannien abgegeben hatte.

Am 7. Dezember 1941, während die Verhandlungen zwischen den amerikanischen
und japanischen Diplomaten noch im Gange waren, griffen japanische Bomber
Pearl Harbor auf Hawaii an, einen Marinestützpunkt der US-Flotte im
Pazifik. Gleichzeitig fanden Angriffe der japanischen Armee, Marine und
Luftwaffe gegen die Philippinen, Guam, die Insel Wake, die Midway-Inseln,
Hongkong, das britische Malaysia und Thailand statt. Am 8. Dezember erklärten
die Vereinigten Staaten, ebenso wie alle anderen Alliierten mit Ausnahme
der UdSSR, Japan den Krieg.
Etwa ein Jahr lang nach den erfolgreichen Überraschungsangriffen
konnte Japan die Offensive in Südostasien und auf den Inseln des Pazifik
aufrechterhalten. Das Kaiserreich bezeichnete Ostasien und seine Umgebung
als den „Großen Ostasiatischen Zusammenschluss“, wo eine „Ostasiatische
Wohlstandssphäre“ geschaffen werden sollte, und setzte den Propagandaslogan
„Asien den Asiaten“ wirkungsvoll ein. Darüber hinaus gaben die Nationalisten
in vielen ostasiatischen Ländern ihr stillschweigendes Einverständnis
für die japanischen Aktionen und leisteten teilweise aktive Unterstützung.
Diese Länder sahen in der Situation eine Möglichkeit, den Einfluss
des westlichen Imperialismus abzuschütteln. Im Dezember 1941 marschierte
Japan in Thailand ein und zwang die Regierung zur Unterzeichnung eines
Allianzvertrages. Die japanischen Truppen besetzten außerdem Burma,
das britische Malaysia, Borneo, Hongkong und Niederländisch-Ostindien.
Bis zum Mai 1942 waren auch die Philippinen in japanischer Hand. Auf dem
Weg in Richtung Australien und Neuseeland landeten die japanischen Streitkräfte
in Neuguinea, Neubritannien (heute ein Teil von Papua-Neuguinea) und auf
den Salomonen. Eine japanische Eingreiftruppe besetzte Attu, Agattu und
Kiska auf den Alëuten vor der Küste Alaskas. Letztlich wurde
der Krieg jedoch zu einem Kampf um die Vorherrschaft im Pazifischen Ozean.

1942 änderte sich die Situation. Erstmalig gelang es der alliierten
Marine und Luftwaffe, eine japanische Invasionsflotte in der Schlacht im
Korallenmeer zwischen Neuguinea und den Salomonen aufzuhalten. Einen Monat
später wurde eine noch größere japanische Flotte in der
Schlacht von Midway besiegt. Durch kombinierte Operationen der Boden-,
Marine- und Lufteinheiten unter dem Oberbefehl des amerikanischen Generals
Douglas MacArthur kämpften sich die alliierten Streitkräfte Richtung
Norden von Insel zu Insel in den Südpazifik vor, griffen die Japaner
an und vertrieben sie. Im Juli 1944, nach dem Fall von Saipan, einer wichtigen
japanischen Basis auf den Marianen, erkannte die japanische Führung,
dass der Krieg verloren war. Tojo musste zurücktreten, und die militärische
Oligarchie war geschwächt. Im November 1944 starteten die Vereinigten
Staaten eine Reihe von Luftangriffen auf Japan von Saipan aus. Anfang 1945
wurde die Luftwaffenbasis von Iwo Jima erobert, etwas später unter
großen Verlusten auf beiden Seiten auch Okinawa. Dort hatten sich
auf Druck des japanischen Militärs auch große Teile der Zivilbevölkerung
den etwa 30 000 amerikanischen Soldaten entgegengestellt, was nach Schätzungen
etwa 100 000 Todesopfer forderte. Im gleichen Zeitraum besiegten die alliierten
Streitkräfte unter dem britischen Admiral Louis Mountbatten die japanischen
Armeen in Südostasien. In den folgenden vier Monaten, von Mai bis
August, zerstörten Bombenangriffe die japanischen Städte, Kommunikationseinrichtungen,
die Industrie und die Überreste der Marine. Die Angriffe erreichten
am 6. August 1945 mit dem weltweit ersten Abwurf einer Atombombe auf die
Stadt Hiroshima ihren Höhepunkt. Über 200 000 Menschen fanden
hierbei den Tod, weitere 100 000 wurden zum Teil schwer verwundet, und
viele starben in den nachfolgenden Jahren an den Spätfolgen der radioaktiven
Strahlung. Zwei Tage später, am 8. August, erklärte auch die
UdSSR Japan den Krieg; am 9. August wurde eine zweite Atombombe über
der Stadt Nagasaki abgeworfen. Die sowjetischen Streitkräfte marschierten
in der Mandschurei, Nordkorea und Karafuto (Südsachalin) ein. Die
Alliierten hatten auf der Potsdamer Konferenz vereinbart, dass lediglich
eine bedingungslose Kapitulation der japanischen Regierung akzeptabel sei.
Am 14. August akzeptierte Japan die Bedingungen der Alliierten, und Kaiser
Hirohito teilte dies der Nation über den Rundfunk mit, obwohl die
Militaristen noch in letzter Minute versucht hatten, diese Ansprache zu
verhindern. Die offizielle Kapitulation wurde an Bord des amerikanischen
Kriegsschiffes USS Missouri am 2. September in der Bucht von Tokyo unterzeichnet.

Die Armee der Vereinigten Staaten wurde von den Alliierten als Besatzungsmacht
auf den japanischen Inseln eingesetzt. Den Japanern wurde damit die Herrschaft
über ihr eigenes Land entzogen. Die Innere Mongolei, die Mandschurei,
Taiwan und die Insel Hainan wurden an China zurückgegeben. Die UdSSR
behielt die Kurilen und Karafuto (das wieder den Namen Sachalin erhielt)
und übernahm die Kontrolle in der Äußeren Mongolei. Port
Arthur und die Südmandschurische Eisenbahnlinie unterstanden der gemeinsamen
Kontrolle durch die UdSSR und China. Alle ehemals japanischen Südseemandate
wurden von den Vereinigten Staaten besetzt und unter die Obhut der Vereinten
Nationen (UN) gestellt.
Am 11. August 1945, nachdem die Japaner die Kapitulation angeboten hatten,
wurde Douglas MacArthur zum Oberbefehlshaber der Alliierten (SCAP, Supreme
Commander for the Allied Powers) im besetzten Japan ernannt. Die Repräsentanten
von China, der UdSSR und Großbritannien bildeten einen alliierten
Rat für Japan mit Sitz in Tokyo, um MacArthur zu unterstützen.
Die meisten Fragen zur Besatzungspolitik wurden von der Kommission für
den Fernen Osten mit Sitz in Washington D.C. behandelt. Die Kommission
vertrat die Vereinigten Staaten, Großbritannien, die UdSSR, Australien,
China, Frankreich, Indien, Kanada, Neuseeland, die Niederlande und die
Philippinen. Gegen einige japanische Politiker und Militärs wurde
von einem Tribunal aus elf Nationen wegen Kriegsverbrechen am 3. Mai 1946
in Tokyo der Prozess eröffnet und erst am 12. November 1948 abgeschlossen.

Die amerikanische Besetzung der japanischen Inseln wurde von allen Seiten
akzeptiert. Die Ziele der Besatzungspolitik waren im Wesentlichen eine
Demokratisierung der japanischen Regierung und die Wiedererrichtung einer
funktionierenden Industrie, um den Bedürfnissen der japanischen Bevölkerung
gerecht werden zu können. MacArthur hatte die Anweisung, seine Autorität
mit Hilfe des Kaisers und soweit wie möglich der noch vorhandenen
Regierung und Verwaltung auszuüben. Zu den Zielen der Alliierten gehörte
auch die Auflösung der großen Industrie- und Bankentrusts, deren
Vermögen 1946 beschlagnahmt und die später durch die SCAP liquidiert
wurden. Legale Gewerkschaften wurden eingeführt. Durch eine 1947 eingeleitete
Landreform teilte man den Großgrundbesitz auf, den Bauern sollte
die Möglichkeit geboten werden, das Land käuflich zu erwerben,
auf dem sie arbeiteten. Ein Umerziehungsprogramm im demokratischen Rahmen
wurde ebenfalls organisiert. Die Frauen erhielten das passive Wahlrecht,
und in den ersten Wahlen nach dem Krieg vom April 1946 wurden 38 Frauen
in das japanische Parlament gewählt. In der Folge stimmte die Abgeordnetenkammer
einem von amerikanischer Seite angeregten Entwurf für eine neue, demokratische
Verfassung zu; diese trat im Mai 1947 in Kraft und führte eine parlamentarische
Regierungsform ein, bei der der Kaiser nur noch symbolische Funktionen
innehat.
Der Wiederaufbau der japanischen Wirtschaft war bedeutend schwieriger
als die Umstrukturierung der Regierung. Die Lebensmittelknappheit musste
durch Importe von alliierter Seite aufgefangen werden, insbesondere aus
den Vereinigten Staaten. Durch die schweren Bombenangriffe im Krieg waren
die wirtschaftlichen Kapazitäten Japans zerstört. Anfang 1949
kostete die Unterstützung für Japan die Vereinigten Staaten täglich
mehr als eine Million US-Dollar.
Anfang Mai 1949 kam es zu Arbeitsniederlegungen in verschiedenen japanischen
Industriezweigen, insbesondere im Kohlenbergbau. Die Regierung beschuldigte
die Kommunistische Partei Japans (KPJ), die in den Nationalwahlen drei
Millionen Stimmen erhalten hatte, die Streiks für politische Zwecke
auszunutzen, und auch MacArthur stimmte mit dieser Sicht überein.
In der Folge führte die Regierung breit angelegte Untersuchungen gegen
die Aktivitäten der Kommunisten durch. Im Juni 1949 wurde MacArthurs
Arbeitspolitik scharf von den sowjetischen Mitgliedern des alliierten Kontrollrates
kritisiert. In seiner Antwort darauf beschuldigte MacArthur die UdSSR,
die Unruhe in Japan durch Unterstützung der Kommunistischen Partei
zu schüren und sich bei der Forderung nach Freilassung japanischer
Kriegsgefangener unbarmherzig zu verhalten. In den nächsten Jahren
waren der Kommunismus und die Repatriierung (Rückführung Kriegsgefangener)
die zentralen Themen der nationalen Politik. Die Sowjetunion kündigte
im April 1950 an, dass mit Ausnahme von 10 000 Straffälligen alle
Kriegsgefangenen (insgesamt fast 95 000) nach Japan zurückkehren dürften.
Nach japanischen Angaben befanden sich dagegen noch mehr als 300 000 Kriegsgefangene
in der UdSSR.
Die Verhandlungen zwischen den Alliierten im Jahr 1950 über einen
Friedensvertrag mit Japan waren von großen Differenzen zwischen den
Vereinigten Staaten und der Sowjetunion gekennzeichnet; insbesondere zur
Frage, ob China am Entwurf des Dokuments teilnehmen solle oder nicht. Im
Mai wurde der amerikanische Politiker John Foster Dulles, Ratgeber des
US-Außenministers, mit der Vorbereitung des Vertrags beauftragt.
Nach einjährigen Konsultationen und Verhandlungen zwischen und unter
den alliierten Mächten, Japan und jenen Nationen des Fernen Ostens,
die gegen Japan gekämpft hatten, wurde am 12. Juli 1951 ein Vertragsentwurf
veröffentlicht. Die UdSSR war der Auffassung, dass das Dokument neuem
japanischem Militarismus Vorschub leiste. Die US-Regierung lud 55 Länder
zur Friedenskonferenz ein. Nationalchina (Taiwan) und die Volksrepublik
China wurden nicht eingeladen.
Die Friedenskonferenz begann Anfang September in San Francisco. Von
den eingeladenen Nationen verweigerten lediglich Indien, Birma und Jugoslawien
die Teilnahme. Während der Konferenz war die Diskussion auf den bereits
vorbereiteten Vertragsentwurf beschränkt. Damit wurde verhindert,
dass die Sowjetunion die Verhandlungen auf breiter Ebene wieder eröffnete.
Der Friedensvertrag von San Francisco wurde schließlich von 49 Staaten
– mit Ausnahme der UdSSR, der Tschechoslowakei und Polens – unterzeichnet.

In den Vertragsklauseln verzichtete Japan auf Korea, Taiwan, die Kurilen,
Sachalin und die ehemaligen Südseemandate, ferner auf alle Sonderrechte
und Interessen in China und Korea. Das Recht Japans auf Selbstverteidigung
und auf den Eintritt in Verteidigungspakte wurde anerkannt. Japan akzeptierte
die Gültigkeit der Reparationsforderungen im Prinzip; diese sollten
im Hinblick auf die ungenügenden Finanzreserven des Landes in Form
von Waren und Dienstleistungen beglichen werden. Zur gleichen Zeit unterzeichneten
die Vereinigten Staaten und Japan ein bilaterales Verteidigungsabkommen
(Sicherheitsvertrag), das die Aufrechterhaltung von US-Militärbasen
und der bewaffneten Streitkräfte in und um Japan vorsah.
In der Zwischenzeit war MacArthur seines Amtes als SCAP im April 1951
enthoben worden. Leutnant General Matthew Bunker Ridgway, damals Kommandeur
der UN-Streitkräfte in Korea, wurde sein Nachfolger. Die Vereinigten
Staaten stellten die Wirtschaftshilfe für Japan Ende Juni ein, doch
der nachteilige Effekt dieser Aktion auf die japanische Wirtschaft wurde
durch die Nachschubbestellungen für den gerade ausgebrochenen Koreakrieg
aufgehoben. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes resultierten außer
in den direkten Zerstörungen überwiegend aus dem durch den Krieg
entstandenen Verlust der Märkte in Übersee und insbesondere auf
dem chinesischen Festland. Aus diesem Grund gestanden die Vereinigten Staaten
Japan im Oktober das Recht zum begrenzten Handel mit China zu.
Am 28. April 1952 trat der japanische Friedensvertrag in Kraft; nach
dem Abzug der alliierten Truppen war damit die volle Souveränität
Japans wieder hergestellt. Laut dem japanisch-amerikanischen Vertrag von
1951 blieben die US-Truppen als Sicherheitskräfte in Japan. Die japanische
Regierung schloss während des Jahres 1952 neue Friedensverträge
bzw. erwirkte eine Aufnahme neuer diplomatischer Beziehungen mit Taiwan,
Birma, Indien und Jugoslawien.
Die Frage der Wiederaufrüstung wurde 1952 ebenfalls auf breiter
Ebene diskutiert. Die Regierung verhielt sich in der Frage des Wiederaufbaus
der Verteidigung eher zurückhaltend, hauptsächlich wegen der
wirtschaftlichen Schwierigkeiten und gesetzlicher Hindernisse (in der japanischen
Verfassung von 1947 wurde „für immer“ auf den Krieg verzichtet).
Nach einer heftigen Parlamentsdebatte im Juli 1952 wurde ein Gesetz
verabschiedet, das die subversiven Aktivitäten organisierter Gruppen
verhindern sollte, einschließlich der Kommunisten. Die Kommunistische
Partei selbst wurde jedoch noch nicht verboten. Am 1. Oktober kam es zu
den ersten allgemeinen Parlamentswahlen. Yoshida Shigeru, der Parteiführer
der Liberalen, der bereits seit 1949 dem Kabinett vorstand, wurde zum ersten
Ministerpräsidenten nach der Besatzungszeit ernannt.
Quelle: Microsoft® Encarta® 98 Enzyklopädie. ©
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